Stahl, Gehorsam, Geschwindigkeit – Die Radfahrertruppen im Ersten Weltkrieg

Bildquelle: Schweizerisches Bundesarchiv, CH-BAR#E27#1000/721#14095#653*

Auch ihnen blieb er nicht erspart, der preussisch-deutsche Drill. Angeordnet von höchster Stelle. Soldatische Erziehung. Unerbittlich. Täglich. Mitunter mehrfach täglich. Obwohl, im Grunde waren sie ja freiwillig da – immerhin fast. In jedem Fall nicht beruflich. Dafür mit dem Velo.

Ulrich Wille betrieb mit eiserner Konsequenz die Formung der Miliz: Seit Jahrzehnten hatte er dem Schweizer Volk vorgebetet, dass auch eine Milizarmee «kriegstüchtig» werde – wenn die Soldaten nur zu gehorchen und die Offiziere zu befehlen wüssten. Und mit seiner Wahl zum General, zum Oberbefehlshaber der Schweizer Armee am 3. August 1914 lernte auch der letzte Soldat die «Methode Wille» kennen – unnachgiebig, disziplinierend, stählerner Gehorsam.

Da stehen sie also nun, die Velofahrer. In Reih und Glied. Gerader Rücken, die Hände am Lenker, der über 22 Kilo schwere Stahlesel zwischen den Beinen. Stillgestanden! Und doch: eine Armee in Bewegung. – Bewegungskrieg entsprach Willes Ideal. Festungen hingegen – insbesondere jene am Hauenstein oder bei Murten – waren ihm zu statisch, zu unbeweglich.

Die Uniform ist pragmatischer als die der Infanterie – immerhin. Kein unbequemer Waffenrock mit rotem Stehkragen, keine blauen Hosen. Stattdessen ein einreihiger Rock mit Umlegekragen, dazu eine spezielle Fahrhose mit Ledergamaschen. Auf dem Kopf die Feldmütze. Und wenn das Wetter es verlangte, der Radmantel.

Ihr Auftrag: Verbindungsdienst. Nachrichten überbringen, Meldungen transportieren. Von Olten nach Balsthal, von da zur Fortifikation Hauenstein.

Schon bei der Generalmobilmachung im August 1914 rollten 14 Radfahrerkompanien zu ihren Truppensammelplätzen. Doch mit der Zeit änderte sich ihre Rolle. Was als Melde- und Kurierdienst begann, verlagerte sich zunehmend auf den Kampfeinsatz – parallel zur wachsenden Bedeutung des Feldtelefons. Ab 1924 wurden sie gar offiziell zur schwerbewaffneten Kampftruppe erklärt.

Aber die Velofahrer waren keine Erfindung des Ersten Weltkriegs. Bereits seit 1892 existierten «Radfahrerabtheilungen» in der Schweiz. Allerdings, das Gesetz von 1891 hatte es unmissverständlich festgehalten: «Die Radfahrer haben ihre Fahrmaschine selbst zu stellen.» Und so mussten die Soldaten anfangs ihr Velo selbst mitbringen. Erst 1905 kam das erste offizielle Militärvelo: das Ordonnanzfahrrad 05. Schwarz emailliert, robust, mit Karbidlampe und Schweizerkreuz am Gabelrohr.

Über 68’000 Stück wurden zwischen 1904 und 1988 produziert – erst von Condor in Courfaivre, von Schild & Cie. in Biel (Cosmos) und von Rüegg in Uster (Schwalbe), später auch von Zesar und MaFaG. Ein Fahrrad für die Ewigkeit: 90 Jahre lang fast unverändert im Dienst.

2003 wurden die Radfahrertruppen abgeschafft. In der Zeit der Fortifikation Hauenstein waren sie unentbehrlich. Schnell. Lautlos. Unsichtbar in der Nacht. Und vor allem: Die Stahlesel brauchten weder Fourage noch Sprit.